Dass Menschen in einem so reichen Land wie Deutschland Angst vor Armut haben müssen, ist nicht hinnehmbar!
7 Forderungen an die Politik
Wenn man sich die Zahlen anguckt, wird sehr schnell deutlich: Während der Reichtum in Deutschland immer weiterwächst, steigt die Zahl der Menschen, die in Armut leben oder armutsgefährdet sind. So war 2019 bundesweit jede*r sechste Bürger*in von Armut bedroht.
Die Schere zwischen Arm und Reich geht also immer weiter auseinander – und das in einem so reichen Land wie Deutschland. Armut zu bekämpfen sollte also eigentlich eine der wichtigsten Aufgaben der Politik sein. Leider bewegt sich dabei noch viel zu wenig.
Das muss sich dringend ändern!
1
Arbeit, Beschäftigung
und Erwerbslosigkeit
Wer Arbeit hat, sollte eigentlich nicht von Armut betroffen sein. In Deutschland ist das trotzdem leider oft der Fall, denn mehr als 20 Prozent aller Erwerbstätigen sind atypisch beschäftigt, also in Teilzeit, befristet oder als Leiharbeiter angestellt oder haben einen Minijob. Das bedeutet: Auch wer Arbeit hat, ist nicht vor Armut, insbesondere Altersarmut, geschützt. Ein besonders hohes Armutsrisiko tragen auch Erwerbslose. Während die Armutsgefährdungsquote von Erwerbstätigen 2019 bei 8 Prozent lag, waren im Vergleich fast 60 Prozent der erwerbslosen Menschen armutsgefährdet. (Statistisches Bundesamt).
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Der Niedriglohnsektor mit Leiharbeit, Werkverträgen und geringfügiger Beschäftigung muss eingedämmt werden.
- Geringfügige Beschäftigung und Beschäftigung in der Gleitzone (Mini- und Midijobs) müssen voll sozialversicherungspflichtig werden.
- Der gesetzliche Mindestlohn muss auf mindestens 13 Euro angehoben werden.
- Tarifverträge müssen wieder die Regel werden.
- Die Dauer des Leistungsbezugs von Arbeitslosengeld I muss ausgeweitet werden.
2
Kinderarmut ist
Familienarmut
Kinderarmut ist in erster Linie Eltern- und Familienarmut. Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in einer Armutslage auf – das sind hochgerechnet 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Besonders betroffen sind Alleinerziehende und Familien mit mehr als drei Kindern. Mehr als 45 Prozent aller Kinder im SGB II-Bezug wachsen bundesweit in einer Ein-Eltern-Familie auf. Für Kinder bedeutet Familienarmut, dass auch sie direkt von Armut betroffen sind: Es fehlt am Geld, um sich eine Fahrkarte für einen Besuch von Familie oder Freunden zu kaufen. Oder es kann kein Geburtstagsgeschenk gekauft werden. Häufig ist auch die Teilnahme an Klassenfahrten nicht möglich.
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Hartz-IV-Regelsätze müssen so bemessen sein, dass sie den Bedarf von Kindern und Jugendlichen decken.
- Es muss ein gebührenfreies und qualitativ hochwertiges Bildungssystem geschaffen werden, damit alle die gleichen Chancen erhalten.
- Verlässliche Kinderbetreuung vor Ort, um Familie und Beruf zu vereinbaren.
- Familien- und Kinderleistungen müssen in einer zentralen Stelle gebündelt werden.
- Es muss eine Kindergrundsicherung eingeführt werden.
3
Frauenarmut
Die Armut von Frauen hat viele Gesichter. Oft liegt die Armut von Frauen darin begründet, dass sie Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Frauen arbeiten dreimal häufiger in Teilzeit als Männer. Verglichen mit Männern sind Frauen während ihres Lebens doppelt so lang ohne bezahlte Arbeit. Ihre Rentenansprüche fallen entsprechend gering aus. Alleinerziehende tragen ein besonders hohes Risiko, arm zu werden.
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Umsetzung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit.
- Typische Frauenberufe müssen aufgewertet werden.
- Rahmenbedingungen schaffen, um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf/Familie und Beruf zu ermöglichen.
4
Pflege darf kein Armutsrisiko sein
Gute Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie muss so finanziert werden, dass sie für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen kein Armutsrisiko darstellt. Die Belastung durch ständig steigende Eigenanteile muss gestoppt werden.
Die finanzielle Belastung eines Pflegebedürftigen in der stationären Pflege beträgt im Bundesdurchschnitt 2.125 Euro im Monat.
Die geplanten prozentualen Zuschüsse schützen dabei nicht vor steigenden Eigenanteilen und bedeuten hauptsächlich für Langzeitpflegebedürftige eine finanzielle Entlastung. Das pflegebedingte Armutsrisiko wird damit nicht reduziert.
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Dringend benötigte Tariflöhne in der Pflege dürfen nicht zu Mehrkosten bei den Pflegebedürftigen führen.
- Perspektivisch muss die Pflegeversicherung zur Bürgerversicherung (Vollversicherung) ausgebaut werden.
- Pflegeleistungen müssen analog des Elterngeldes konsequent anerkannt werden.
5
Altersarmut
Die Armutsgefährdung der 65-Jährigen und Älteren ist nach wie vor steigend. Armut im Alter ist weiblich: Etwa jede sechste Frau ist davon bedroht, aber nur jeder achte Mann. Deshalb müssen hier besonders dringend Maßnahmen eingeleitet werden. Die Grundrente kann nur der erste Schritt sein.
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Gestaffelte Freibeträge beim Bezug von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
- Bezieher von Erwerbsminderungsrente auf Zeit sind von der Grundsicherung ausgeschlossen. Das muss sich ändern.
- Die Rente muss wieder den Lebensstandard im Alter sichern. Dazu ist das Rentenniveau auf 53 Prozent anzuheben.
- Keine Anhebung der Regelaltersgrenze.
- Einführung einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle Erwerbstätigen einzahlen.
6
Gutes Wohnen – bezahlbar und barrierefrei
Die Versorgung mit bezahlbarem, angemessenem und barrierefreiem Wohnraum ist in städtischen Ballungszentren oft nicht mehr gewährleistet. Die Mietpreisentwicklung der vergangenen Jahre hat die soziale Spaltung weiter vertieft. Für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen sind die Mieten inzwischen zu einem Armutsrisiko geworden.
Die Zahl der Sozialwohnungen ist bundesweit auf rund 1,14 Millionen gesunken. Sie wird in den nächsten fünf Jahren weiter sinken, weil immer mehr Sozialwohnungen aus der Sozialbindung fallen und dem sozialen Wohnungsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen.
Um die Versäumnisse der vergangenen Jahre zu korrigieren, sind erhebliche Anstrengungen erforderlich.
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Versorgung mit angemessenem, barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum ist staatliche Daseinsvorsorge.
- Ausbau des sozialen Wohnungsbaus und Verlängerung der Sozialbindung, Fehlbelegungen müssen vermieden werden.
- Mietpreissteigerungen bei hohen Mietbelastungen sinnvoll einschränken, z.B. durch wirksamere Mietpreisbremse ohne Ausnahmeregelungen und Änderungen des Mietpreisspiegels.
- Ein umfangreiches Angebot an barrierefreiem Wohnraum muss auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.
7
Armutsrisiko Behinderung
Menschen mit Behinderung tragen ein höheres Armutsrisiko als Menschen ohne Behinderung. Außerdem sind sie doppelt so häufig arbeitslos und das auch deutlich länger. Betroffene verdienen oft weniger, haben im Gegenzug aber einen höheren finanziellen Aufwand, um ihre Teilhabe an der Gesellschaft sicherzustellen. Diejenigen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen arbeiten, sind ohnehin komplett vom allgemeinen Mindestlohn abgekoppelt. Junge behinderte Menschen finden häufig keinen Ausbildungsplatz.
Dafür macht sich der SoVD stark:
- Bessere Angebote zur Information, Vermittlung und Begleitung bei der Arbeitsplatzsuche und am Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung.
- Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung für Unternehmen auf 6 Prozent erhöhen.
- Ausgleichsabgabe für unbesetzte Pflichtarbeitsplätze in Unternehmen verdoppeln.
- Stärkere Berücksichtigung in staatlichen Statistiken, damit geeignete Maßnahmen zur Vermeidung von Armut getroffen werden können.
- Betriebliche Ausbildungsmöglichkeiten für junge behinderte Menschen verbessern.